Berlin (ots) -
In Frankreich stürzt die Regierung - und mit ihr der geplante Sparhaushalt 2025 - über ein Misstrauensvotum der Opposition. Gleichzeitig ist keine der maßgeblichen politischen Kräfte in der Lage, eine stabile Mehrheit für ihr Standortprogramm zu organisieren. Darunter leidet Frankreichs Kreditwürdigkeit, an den Finanzmärkten steigen die Zinsen, die das Land für neue Schulden zahlen muss - und davon hat es bereits recht viel. Die Schuldenquote liegt bei 110 Prozent der Wirtschaftsleistung und wird weiter steigen, da neue Schulden zur Stabilisierung notwendig sind - weit mehr Schulden als die EU erlaubt. Was lässt sich daraus lernen?
Erstens: Wenn man als Regierung die Finanzvermögen nicht besteuern will, sondern sie sich per Verschuldung leiht, macht man sich abhängig von den Geldgebern. Das "Vertrauen" der Finanzanleger entscheidet dann darüber, ob eine Regierung Kredit bekommt und zu welchem Zins. Diese Entscheidung hängt allein am Maßstab, den die Märkte anlegen: Ist ein Land eine sichere und rentable Geldquelle, ist es also in der Lage, uns eine gute Rendite einzuspielen? Unbeliebt sind bei den Märkten daher alle Ausgaben, die nicht direkt das Wirtschaftswachstum fördern - zum Beispiel tendenziell Sozialausgaben. Unparteiisch sind sie dagegen, wenn es um die politische Ausrichtung geht. Sie akzeptieren auch rechte Parteien. Das Wichtige für sie ist Stabilität, das bedeutet klare Machtverhältnisse: "Führung".
Zweitens: Bereits vorige Woche hatte der nun abgesetzte Premier Michel Barnier vor einem "schweren Sturm auf den internationalen Finanzmärkten" gewarnt, sollte seine Regierung über den Sparhaushalt stürzen und die Neuverschuldung weiter steigen. Noch ist es aber nicht so weit. Zwar hat Frankreich hohe Schulden. Es ist jedoch nicht ganz so erpressbar wie Großbritannien, dessen Regierung 2022 zurücktreten musste, weil die Finanzmärkte ihre Neuverschuldung nicht billigten und das britische Pfund abstürzen ließen. Basis der Kreditwürdigkeit Frankreichs ist die Mitgliedschaft des Landes in der Zone des Euro, der zweitwichtigsten Weltwährung. Das schützt das Land vor spekulativen Angriffen. Allerdings ist Frankreich damit indirekt abhängig von der Macht, auf deren Kreditwürdigkeit die Euro-Zone beruht: Deutschland.
Drittens: Der Zwang zum Wirtschaftswachstum entsteht nicht durch den Druck der Finanzmärkte. Er besteht unabhängig davon als Notwendigkeit in der Standortkonkurrenz. Und weil Standorte ohnehin nach Wachstum streben, verschulden sie sich an den Märkten, um die Mittel zu generieren, die das angestrebte Wachstum vorfinanzieren sollen. Das Wachstum muss dann aber auch eintreten, andernfalls wächst die Schuldenlast. Unklar ist allerdings in Europa derzeit, wie dieses Wachstum erzielt werden soll in Zeiten, in denen die USA zum Wirtschaftskrieg gegen China aufrufen und ihre eigene Position auf Kosten der europäischen Partner stärken.
In der Folge diagnostiziert Europa zwar eine epochale Krise - "Deindustrialisierung droht!", "Bestand Europas gefährdet!". Die vorgeschlagenen Maßnahmen der Politik aber erschöpfen sich in Kleinkram: Bürokratieabbau, bisschen Sozialabbau, kleinere Steuersenkungen. Diese Kleinteiligkeit zeigt eine gewisse Hilflosigkeit nicht nur in Frankreich, sondern bei allen mächtigeren Anhängseln der US-Weltordnung: Deutschland, Südkorea, Japan, Großbritannien. Und diese Hilflosigkeit spiegelt sich in den Staatshaushalten und dem erbitterten Streit um ihre Finanzierung. Das ist kein Wunder. Denn Staatshaushalte sind keine reine Frage der Buchhaltung. "Das Staatsbudget ist immer >Klassenbudget< (Marx)", schreibt der Politologe Ingo Stützle auf der Plattform "BlueSky", "es ist materieller Ausdruck von Machtverhältnissen und politischen Projekten. Für letztere gibt es derzeit keine Mehrheiten bzw. es gibt nicht einmal ein klares Projekt."
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In Frankreich stürzt die Regierung - und mit ihr der geplante Sparhaushalt 2025 - über ein Misstrauensvotum der Opposition. Gleichzeitig ist keine der maßgeblichen politischen Kräfte in der Lage, eine stabile Mehrheit für ihr Standortprogramm zu organisieren. Darunter leidet Frankreichs Kreditwürdigkeit, an den Finanzmärkten steigen die Zinsen, die das Land für neue Schulden zahlen muss - und davon hat es bereits recht viel. Die Schuldenquote liegt bei 110 Prozent der Wirtschaftsleistung und wird weiter steigen, da neue Schulden zur Stabilisierung notwendig sind - weit mehr Schulden als die EU erlaubt. Was lässt sich daraus lernen?
Erstens: Wenn man als Regierung die Finanzvermögen nicht besteuern will, sondern sie sich per Verschuldung leiht, macht man sich abhängig von den Geldgebern. Das "Vertrauen" der Finanzanleger entscheidet dann darüber, ob eine Regierung Kredit bekommt und zu welchem Zins. Diese Entscheidung hängt allein am Maßstab, den die Märkte anlegen: Ist ein Land eine sichere und rentable Geldquelle, ist es also in der Lage, uns eine gute Rendite einzuspielen? Unbeliebt sind bei den Märkten daher alle Ausgaben, die nicht direkt das Wirtschaftswachstum fördern - zum Beispiel tendenziell Sozialausgaben. Unparteiisch sind sie dagegen, wenn es um die politische Ausrichtung geht. Sie akzeptieren auch rechte Parteien. Das Wichtige für sie ist Stabilität, das bedeutet klare Machtverhältnisse: "Führung".
Zweitens: Bereits vorige Woche hatte der nun abgesetzte Premier Michel Barnier vor einem "schweren Sturm auf den internationalen Finanzmärkten" gewarnt, sollte seine Regierung über den Sparhaushalt stürzen und die Neuverschuldung weiter steigen. Noch ist es aber nicht so weit. Zwar hat Frankreich hohe Schulden. Es ist jedoch nicht ganz so erpressbar wie Großbritannien, dessen Regierung 2022 zurücktreten musste, weil die Finanzmärkte ihre Neuverschuldung nicht billigten und das britische Pfund abstürzen ließen. Basis der Kreditwürdigkeit Frankreichs ist die Mitgliedschaft des Landes in der Zone des Euro, der zweitwichtigsten Weltwährung. Das schützt das Land vor spekulativen Angriffen. Allerdings ist Frankreich damit indirekt abhängig von der Macht, auf deren Kreditwürdigkeit die Euro-Zone beruht: Deutschland.
Drittens: Der Zwang zum Wirtschaftswachstum entsteht nicht durch den Druck der Finanzmärkte. Er besteht unabhängig davon als Notwendigkeit in der Standortkonkurrenz. Und weil Standorte ohnehin nach Wachstum streben, verschulden sie sich an den Märkten, um die Mittel zu generieren, die das angestrebte Wachstum vorfinanzieren sollen. Das Wachstum muss dann aber auch eintreten, andernfalls wächst die Schuldenlast. Unklar ist allerdings in Europa derzeit, wie dieses Wachstum erzielt werden soll in Zeiten, in denen die USA zum Wirtschaftskrieg gegen China aufrufen und ihre eigene Position auf Kosten der europäischen Partner stärken.
In der Folge diagnostiziert Europa zwar eine epochale Krise - "Deindustrialisierung droht!", "Bestand Europas gefährdet!". Die vorgeschlagenen Maßnahmen der Politik aber erschöpfen sich in Kleinkram: Bürokratieabbau, bisschen Sozialabbau, kleinere Steuersenkungen. Diese Kleinteiligkeit zeigt eine gewisse Hilflosigkeit nicht nur in Frankreich, sondern bei allen mächtigeren Anhängseln der US-Weltordnung: Deutschland, Südkorea, Japan, Großbritannien. Und diese Hilflosigkeit spiegelt sich in den Staatshaushalten und dem erbitterten Streit um ihre Finanzierung. Das ist kein Wunder. Denn Staatshaushalte sind keine reine Frage der Buchhaltung. "Das Staatsbudget ist immer >Klassenbudget< (Marx)", schreibt der Politologe Ingo Stützle auf der Plattform "BlueSky", "es ist materieller Ausdruck von Machtverhältnissen und politischen Projekten. Für letztere gibt es derzeit keine Mehrheiten bzw. es gibt nicht einmal ein klares Projekt."
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