08.01.2025 -
Wieder ist ein Jahr vergangen und erneut hat der nordamerikanische S&P 500 der restlichen Aktienwelt die Rücklichter gezeigt. Während die europäischen Aktienmärkte im Durchschnitt weniger als zehn Prozent zulegen konnten, verzeichnete der S&P 500 ein Plus von rund 23 % - ähnlich stark wie im Vorjahr. Betrachtet man die letzten beiden Jahre zusammen, ergibt sich ein Anstieg von über 50 %, dies stellt das beste 2-Jahresergebnis seit 1998 dar.1
Doch die Aussagekraft solcher kurzfristigen Zeiträume ist begrenzt. Fundamentale Entwicklungen können leicht von "zufälligen" Ereignissen oder kurzfristigen "Megatrends" überlagert werden. Ein Beispiel für eine "negative Überlagerung" ist die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009, während der selbst die Aktien bedeutender starker Unternehmen wie Apple massiv im Preis verloren. Ein Beispiel für eine "positive Überlagerung" kann im aktuellen Hype rund um künstliche Intelligenz gesehen werden, der die Aktienkurse von Unternehmen wie Nvidia, Palantir und Tesla beflügelt hat.
Um solche Fehlinterpretationen zu vermeiden, sollten Anleger längere Zeiträume betrachten, die historisch belastbare Rückschlüsse zulassen - etwa Fünfjahresperioden. In der jüngsten Fünfjahresperiode (2020 bis 2024) konnte der S&P 500 fast eine Verdopplung verzeichnen. Dies ist auch im historischen Vergleich außergewöhnlich stark. Von mehr als 90 untersuchten Fünfjahresperioden wiesen nur 18 eine ähnlich starke oder bessere Performance auf. Die schwächste Periode brachte einen Verlust von 60 % (1928 bis 1932), während die stärkste einen Gewinn von 220 % (1995 bis 1999) verzeichnete. Der durchschnittliche Gewinn aller Perioden lag mit 45 % nur etwa halb so hoch wie in der aktuellen Phase, die somit zu den besten 20 % zählt.2
Diese beeindruckende relative Stärke zeigt sich auch gegenüber dem natürlichen Gegenspieler der Aktienanlage - den Anleihen:
In der vorstehenden Grafik findet sich die Aktienkomponente, ausgedrückt durch die gesamte Marktkapitalisierung des US-Aktienmarktes, im Nenner, weswegen relativ geringere Werte auf eine Höherpreisung von Eigen- gegenüber Fremdkapital hinweisen. 3 So betrachtet sind Aktien heute höher bewertet als zu fast jedem anderen Zeitpunkt in den vergangenen 75 Jahren.
Von dieser Entwicklung profitierten vor allem Strategien, die stark auf große US-Aktien setzten. Denn die wesentlichen Renditetreiber waren vor allem große Gesellschaften, die im Index nach Marktkapitalisierung gewichtet werden. Abweichungen von dieser Art der Gewichtung führten zu deutlichen Renditeminderungen - um ein Drittel bei gleichgewichteten S&P-500-Strategien und um mehr als die Hälfte bei kleineren Unternehmen (Russell 2000).4
Ganz anders verlief die Entwicklung am Anleihemarkt, der Anlegern in den letzten fünf Jahren kaum Freude bereitete. Doch jedes Momentum endet einmal - positiv wie negativ.Daher stellt sich die Frage:
Was kommt als Nächstes?
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass auf ähnlich starke Fünfjahresperioden des S&P 500 meist schwächere Phasen folgten. In fünf von 15 Fällen war die anschließende Periode sogar negativ. Nur einmal - um die Jahrtausendwende - war die nachfolgende Phase besser als die vorangegangene.5 Teuer heißt also nicht, dass es nicht noch teurer werden kann (siehe 1998 und 1999), doch die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen.
In gleicher Weise bedeutet ein gegenüber der Historie bereits heute attraktives Renditeniveau am US-Anleihemarkt nicht, dass die Renditen nicht noch weiter steigen können. Allerdings zeigt das vergangene Jahr bereits die veränderten Rahmenbedingungen gegenüber der früheren Nullzinsphase. Während Anleger damals keinerlei Schutz gegen Zinsanstiege hatten, lieferte die Einkaufsrendite von knapp 4 % Ende 2023 bereits einen solchen Puffer. So führte der erneute Zinsanstieg am langen Ende nach der Trump-Wahl im Gesamtjahr 2024 zu einem Verlust von nur -1 % statt -5 %. Mit Hilfe aktiver Risikonahme war es zudem auch 2024 möglich, positive Anlageergebnisse im Anleihebereich zu erzielen. Doch sind solche Strategien oftmals eng mit der Entwicklung des Aktienmarkts verbunden. Es scheint deswegen wenig verwunderlich, dass auch deren Momentum weit fortgeschritten ist:6
Die vorstehende Grafik beinhaltet zwei Linien: Die blaue zeigt die Kreditrisikoprämie (durchschnittlicher Renditeaufschlag für die Wahl von risikobehafteten gegenüber als risikofrei geltenden Staatsanleihen) für Hochzins-, die grüne jene für Investmentgrade-Anleihen. Im rechten Rand ist zu erkennen, dass in beiden Fällen die Risikoprämien aktuell niedrig sind bzw. sich den Tiefständen zuletzt weiter angenähert haben. Ferner ist zu erkennen, dass sich Phasen niedriger und hoher Risikoaufschläge abwechseln und es insbesondere während rezessiver Phasen (rote Flächen) zu einem starken Abverkauf von Risiko und somit Anstieg der Kreditrisikoprämie gekommen ist.
Einen ersten Vorgeschmack hierfür lieferten die ersten Augusttage des letzten Jahres, in denen der Aktienmarkt kurzfristig stark konsolidierte, die Kreditrisikoprämien anstiegen und die Rendite von US-Staatsanleihen spürbar nachgaben. Doch währte diese Situation nur kurz und stellte in einem Risk-On Jahr wie dem letzten nur eine kleine Atempause auf dem Weg zu neuen Höchstständen dar. Das mag auch für 2025 zu hoffen sein; doch Hoffnung allein scheint, angesichts der erreichten Bewertungsniveaus und der besonderen geopolitischen Umstände, kaum genug, um ein Festhalten an bis zuletzt erfolgreichen und in hohem Maße positiv korrelierten Momentum-Strategien zu rechtfertigen.
Was also gilt es zu tun?
Nun, zuallererst gilt es, die Erwartungen der vermuteten Realität anzupassen.
So lässt die Historie vermuten, dass in den kommenden fünf Jahren eher Aktienmarktrenditen (inkl. Dividenden) von rund 5 % (p. a.) wahrscheinlich sind. Wer mehr will, muss bereit sein, gegen das Momentum zu investieren - was kurzfristig schmerzhaft sein kann (siehe 1999), sich langfristig bei gründlicher Analyse jedoch auszahlen sollte. Ähnlich hohe Renditen lassen sich im Anleihebereich durch die Wahl von US-Investmentgrade- bzw. Hochzinsanleihen (dann sind auf dem Papier sogar deutlich höhere Renditen möglich) erzielen. Diese lauten jedoch auf US-Dollar, was der oben beschriebenen, historisch niedrigen Kreditrisikoprämie eine weitere Chancen-, wir meinen jedoch vor allem Risikokomponente hinzufügen würde.
Wer sich eine fünf vor dem Komma auch auf Euro lautend wünscht, kommt am Hochzinssegment (und dem damit verbundenen hohen Ausfallrisiko) nicht vorbei. Hierauf verzichten bedeutet, sich mit Renditen von knapp über drei Prozent zu bescheiden. Doch auch dann bleiben Risiken und dieser sollte man sich bewusst sein:7
Die vorstehende Grafik vergleicht die Zusammensetzung europäischer und US-amerikanischer Investmentgrade-Anleiheindizes. Demnach besteht dieses Anlagesegment in Europa zu rund 45 % aus Bankanleihen, was mehr als zehn Prozent über dem US-Anteil liegt. Auf konjunkturell wenig sensible Sektoren entfallen in Europa zudem weniger als 30 %, was diese Art von Investment besonders anfällig für konjunkturell bedingte Rückgänge bzw. exogene Schocks (siehe Finanzmarktkrise des Jahres 2008) macht. Denn anders als in den USA, hat der konjunkturelle und politische Gegenwind der letzten Jahre europäische Banken darin gehindert, das nötige Maß an "Speck" anzufuttern, um für den nächsten Krisenfall ausreichend gewappnet zu sein.
Die auch in Euro auf dem Papier möglichen 3-5 % wären somit hart verdient und aus unserer Sicht alles andere als sicher. Von daher scheint auch hier die Allokation von zu Recht als sicher geltenden deutschen oder europäischen Staatsanleihen, die das Kriterium der höchstmöglichen Sicherheit auch tatsächlich erfüllen, sinnvoll.
Anders als bei Aktien, wo ein Ja zu einer Gesellschaft oftmals im Kauf des einzig verfügbaren Wertpapiers mündet, stehen Anleiheinvestoren eine Vielzahl von Anlageoptionen offen. Aufgrund der derzeit relativ flachen Renditestrukturkurve - aktuell zwischen 2 % für kurzlaufende und 2,6 % für langlaufende deutsche Staatsanleihen -ist es zudem weniger das absolute Renditeniveau, welches den Anleger bei seiner Entscheidung leiten sollte. Vielmehr sollte der Wunsch, Kursgewinne für den Fall von (im Zuge von Risk Off-Phasen erwarteten) Renditerückgängen zu vereinnahmen bzw. die Toleranz gegenüber Kursrückgängen für den Fall weiterer Renditeanstiege im Vordergrund stehen. Die Implikationen vom Letztgenannten sollten dabei nicht unterschätzt werden. Denn schließlich können "Märkte länger irrational bleiben, als manch Anleger zahlungsfähig bleibt" (John Maynard Keynes). Hinzu kommt, dass selbst unter "normalen" Umständen kurzfristige Besonderheiten (Finanzierungsspitzen, veränderte Inflationserwartungen, fiskalpolitische Maßnahmen) die Rendite - wie 2024 mit der Wahl von Donald Trump - nach oben treiben können.
Wer solche Entwicklungen für das kommende Jahr erwartet oder gar (be)fürchtet, sollte vorerst am kurzen Ende der Kurve investieren. Wer sich hingegen, wie wir, ein Asset wünscht, welches im Zuge einer kommenden Risk-Off-Phase wahrscheinlich an Wert gewinnen wird und dem Anleger bis dahin eine - durchaus interessante - Halteprämie von 2,5 % (deutsche Staatsanleihen) bis 4,5 % (US-Treasuries) p. a. verspricht, ist besser am langen Ende der Kurve aufgehoben.
Lehren aus der Vergangenheit: Momentum hat Grenzen
Die Geschichte zeigt uns, dass auf außergewöhnlich starke Phasen oftmals eine Konsolidierung oder Schwächephase folgt. Auch wenn es verlockend erscheint, auf weiteres Momentum zu setzen, lohnt sich eine vorsichtige Betrachtung. Denn solch dynamische Phasen enden nicht selten in einer Korrektur oder zumindest in einer Phase deutlich geringerer Renditen. Diese für die kommenden Jahre und "einfache" Momentum-Strategien zu erwarten, scheint uns ratsam.
Die Anleihemärkte erlebten zuletzt das entgegengesetzte Momentum: Rückläufige Kreditrisikoprämien und ein insgesamt höheres Renditeniveau milderten die negativen Folgen für Anleger. Ein Momentumwechsel zugunsten sicherer deutscher Bundesanleihen und US-Treasuries erscheint wahrscheinlich, weshalb wir diese bevorzugen. Das attraktive Renditeniveau, die flache Renditestrukturkurve und die Aussicht auf ein in Risk-Off-Phasen preisstabiles, negativ korreliertes Asset sprechen für das lange Laufzeitende - und sichern uns als aktivem Vermögensverwalter ausreichende Flexibilität, um Rendite- und Risikoziele auch in den nächsten fünf Jahren zu erreichen.
1 Quelle: US Stocks Fall to Close Out Best Two-Year Stretch Since 1998, By Natalia Kniazhevich, (Bloomberg, 31.12.2024)2 Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen3 Quelle: Apollo Asset Management4 Quelle: Bloomberg5 Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen6 Quelle: Bloomberg7 Quelle: Apollo Asset Management