Servus und moin, moin allerseits aus München!
Kurz vor Weihnachten bescherte uns die "Platform on Sustainable Finance" ein Festtagsgeschenk in Form einer über 80-seitigen Ausarbeitung mit dem schönen Titel "Categorisation of Products under the SFDR: Proposal of the Platform on Sustainable Finance".
Anders als die vielen bisherigen Vorschläge von Industrieverbänden und NGOs zur Frage wie die SFDR überarbeitet und verbessert werden könnte, hat dieser aufgrund der Autorenschaft richtig Gewicht. Die Platform on Sustainable Finance hat ein offizielles Mandat der Europäischen Kommission und - Zitat - "brings together world leading sustainability experts across all stakeholder groups". Es besteht also für viele der Vorschläge eine relativ hohe Umsetzungswahrscheinlichkeit.
Folglich ein guter Grund, sich die Vorschläge näher anzuschauen, wobei ich mich hier aus Platzgründen auf die "Highlights" beschränken möchte.
Beginnen wir allerdings mit zwei "Lowlights" (die Friseur:inneninnung verzeihe mir das Wortspiel und der geneigte Leser das gegenderte Wortungetüm):
Zunächst schlagen die Experten der Plattform vor, dass die MiFID Nachhaltigkeitspräferenzen und die neuen SFDR Kategorien harmonisiert werden sollten. So weit so gut, aber dann folgt der Satz, der mich zweifeln lässt, ob man in Brüssel wirklich verstanden hat, warum so wenige Kunden im Beratungsgespräch Nachhaltigkeitspräferenzen angeben: "Only clients without sustainability preferences should be offered unclassified products". Anders ausgedrückt, Kunden mit Nachhaltigkeitspräferenzen bekommen nur ein reduziertes Produktangebot zu sehen.
Abgesehen davon, dass neben den Nachhaltigkeitspräferenzen auch Risiko- und Renditegesichtspunkte bei Anlegern eine wichtige Rolle spielen - wieso um Gottes Willen sollte ein Anleger freiwillig den ihm angebotenen Produktkatalog reduzieren? Die Erfahrung zeigt, dass diese Einschränkung (neben den sehr schwer verständlichen Inhalten der Präferenzabfrage) der Knackpunkt ist, wieso so wenige Anleger scheinbar Nachhaltigkeitspräferenzen haben. Da können die neuen Produktkategorien so schön und sinnvoll definiert werden, wie man möchte. Wenn dieser Konstruktionsfehler bei der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen nicht korrigiert wird, wird der Spruch "Stell dir vor, es ist MiFID ESG und keiner geht hin" weiterhin Bestand haben.
Der zweite - aus meiner Sicht wenig sinnhafte - Vorschlag betrifft die Offenlegungspflichten für Produkte, die nicht klassifiziert werden, also im Volksmund die "nicht-nachhaltigen" Produkte. Hier lautet der Vorschlag, dass für diese Produkte u.a. die Taxonomie-Konformität des Portfolios und ihren Carbon Footprint offengelegt werden müssen. Abgesehen von der Frage, ob der Carbon Footprint überhaupt sinnvoll ermittelt werden kann, stellt sich für mich die Frage des "Warum?". Wenn diese Produkte ohnehin nur Anlegern ohne Nachhaltigkeitspräferenzen angeboten werden dürfen, welchen Mehrwert liefern diese Kennzahlen dann dem Anleger? Ganz zu schweigen von der Frage, ob er diese Kennzahlen überhaupt versteht.
Bevor wir uns nun den weiteren, aus meiner Sicht positiven oder zumindest weniger kritischen Vorschlägen zuwenden, noch eine grundlegende Einschätzung: Es gibt auch in diesem Paper wieder furchteinflößende Seiten, bei denen die Fußnoten mehr Platz einnehmen als der eigentliche Text. Dies scheint ein Markenzeichen der Platform on Sustainable Finance zu werden. Fun fact: Fußnote 32 kommt vor Fußnote 31, aber das kann bei so vielen Fußnoten natürlich passieren. Das Dokument ist aber trotzdem gut leserlich und verständlich, was natürlich auch meiner weihnachtlichen Tiefenentspannung bei der Lektüre geschuldet sein könnte.
Welche Punkte sind mir bei der Lektüre vor allem aufgefallen?
Der zentrale Teil des Papiers befasst sich mit dem Vorschlag neuer Produktkategorien, welche die bisherigen Artikel 8 & 9 Klassen ablösen sollen. Nicht überraschend findet sich in dem Vorschlag eine neue "Transitions"-Kategorie, die zusammen mit der "Sustainable"-Kategorie und der sprachlich verunglückten "ESG Collection"-Kategorie, die drei neuen Klassen von nachhaltigen Produkten bilden sollen. Diese neue Klassifizierung erscheint mir durchdacht und sinnvoll.
Interessant finde ich, dass die berühmt berüchtigten "Sustainable Investments" eine modifizierte Definition erhalten sollen. Weniger Willkür, mehr wissenschaftliche Stringenz scheint das Motto zu sein, was grundsätzlich begrüßenswert ist. Die Experten der Plattform beweisen an dieser Stelle auch Sinn für Humor, wie eine launige Fußnote beweist: "Market practices such as identifying Sustainable Investments through ESG ratings will likely not be sufficient under the new definition".
Ausschlusskriterien werden im neuen Plattformdokument ebenfalls behandelt. Nicht unerwartet finden sich Verweise auf die Ausschlusskriterien der Paris-aligned und Climate transition benchmarks (PAB & CTB), allerdings in einer wesentlich modifizierten Form. So lautet beispielsweise das modifizierte "Ölausschlusskriterium" jetzt "excluding companies that derive 10% or more of their revenues from and invest = 10% or more of CapEx from oil exploration or processing activities". Es werden also nicht mehr alle Ölunternehmen ausgeschlossen, sondern nur die, die auch mit Nachdruck neue Ölfelder erschließen. Das ist mit der Transitionsbrille betrachtet ein sinnvoller Ansatz und dürfte zu Diskussionen führen, inwiefern die PAB Ausschlüsse selbst anzupassen sind. Wie leicht die relevanten CapEx Daten zu ermitteln sind, wird sich aber noch zeigen.
Ein weiterer scheinbar harmloser Vorschlag, die Ausschlusskriterien abweichend von den PAB- und CTB-Ausschlüssen zu definieren, ist der Folgende: Die Grundlage der normenbasierten Ausschlüsse soll vom UN Global Compact (UNGC) auf die "Guiding Principles on Business and Human Rights" (UNGP) geändert werden. Dies dürfte für Produkthersteller deutlich mehr Aufwand als nur den Austausch eines Buchstabens bedeuten.
Im Zusammenhang mit Ausschlusskriterien findet sich ganz am Ende des Dokuments ein bemerkenswerter Satz: "Exclusion approaches limit financing to industries in need of transition." Man fragt sich, wieso angesichts dieser Erkenntnis eine so lange Liste an Ausschlusskriterien in die Regeln der Paris-aligned benchmarks und der ESMA Funds' Name Guidelines aufgenommen wurde. Aber vermutlich gilt an dieser Stelle wie bei vielen Dingen im Leben das schöne Motto des Heraklit "Alles fließt".
Ein vorläufiges Fazit: man sieht dem Papier an, dass es mit viel Herzblut geschrieben wurde und die vorgeschlagenen neuen Kategorien sind sinnvoll. Im Winzerjargon würde man von frischem oder neuem Wein sprechen, der das alte Thema SFDR beleben wird. Problematisch ist allerdings die Aussage zu den Nachhaltigkeitspräferenzen. Diese könnte dazu führen, dass der gute neue Wein nicht getrunken werden wird, da die "alten Schläuche" wenig einladend wirken. Die weitere Entwicklung wird spannend zu beobachten sein.
In diesem Sinne, bleiben Sie nachhaltig gesund!
Ihr Dr. Bernd Spendig
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