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Während die Märkte zuletzt von Themen wie Künstlicher Intelligenz, Handelskriegen und Zöllen dominiert wurden, bleibt eine potenziell ebenso marktbewegende Entwicklung weitgehend unbeachtet: Ein möglicher Waffenstillstand in der Ukraine. Die Kapitalmarktexperten von Berenberg sehen bislang kaum Anzeichen dafür, dass Investoren die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen eines solchen Szenarios adäquat einpreisen. In einem aktuellen Marktkommentar beleuchten sie die möglichen Konsequenzen in einer Szenarioanalyse. "Die Auswirkungen eines möglichen Waffenstillstands in der Ukraine werden an den Finanzmärkten unterschätzt," sagte Prof. Dr. Bernd Meyer, Chefanlagestratege und Leiter Multi Asset. "In den nächsten Wochen stehen richtungsweisende Termine auf der politischen Agenda, die dies ändern könnten. Neue Vorschläge der US-Regierung oder die Bundestagswahl in Deutschland könnten politische Impulse setzen, mit denen eine diplomatische Lösung in der Ukraine an Fahrt gewinnen könnte. Die Marktreaktionen hierauf dürften deutlich ausfallen. Marktteilnehmer sollten sich also auf dieses Szenario vorbereiten." Ulrich Urbahn, Leiter Multi Asset Strategy & Research, ergänzte: "Künstliche Intelligenz, der Blick in die USA sowie Handelskonflikte haben zuletzt die Wahrnehmung der globalen Anleger geprägt. Mit einem potenziellen Waffenstillstand in der Ukraine könnte sich bald ein neues Narrativ durchsetzen. Sowohl politisch als auch wirtschaftlich hätte eine Verhandlungslösung am grünen Tisch weitreichende Konsequenzen für die geopolitischen Rahmenbedingungen in der Welt. Für Anleger könnten sich insbesondere in Europa Chancen ergeben." | ||||||
Politische Katalysatoren stehen bevor | ||||||
In den kommenden Wochen könnten zwei entscheidende Ereignisse den diplomatischen Prozess in Bewegung bringen: | ||||||
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Welche Auswirkungen hätte ein möglicher Waffenstillstand auf die Märkte? | ||||||
Europa und der Euro | ||||||
Der Euro hat seit der Invasion etwa 10 % an Wert verloren. Ein Ende der Kampfhandlungen könnte das Marktnarrativ von "Euro-Schwäche" auf "Euro-Erholung" drehen - mit positiven Effekten für europäische Vermögenswerte. Trotz positiver Entwicklung in den letzten zwei Monaten sind europäische Aktien im internationalen Vergleich unverändert günstig bewertet und internationale Anleger sind in Europa kaum positioniert. | ||||||
Europäische Aktienmärkte | ||||||
Während sich breite Indizes wie der DAX seit Kriegsbeginn kräftig erholt haben, gibt es weiterhin Sektoren, die stark unter dem Krieg gelitten haben. Unternehmen mit hohem Energiebedarf oder starker Abhängigkeit von Osteuropa könnten durch einen Frieden erheblich profitieren. Insbesondere Maschinenbau- und Grundstoffunternehmen könnten vom Wiederaufbau der Ukraine profitieren. | ||||||
China als unerwarteter Profiteur? | ||||||
Sollte China eine Vermittlerrolle zwischen den USA und Russland einnehmen, könnten chinesische Märkte einen Schub erhalten. Ein geopolitischer Sieg Pekings in der Ukraine-Frage wäre ein starkes Signal für internationale Investoren. | ||||||
Anleihen & Inflation | ||||||
Der Ukraine-Krieg war ein bedeutender Inflationstreiber - durch gestörte Lieferketten, steigende Energiepreise und hohe Staatsausgaben für militärische Unterstützung. Ein Waffenstillstand könnte als disinflationäres Signal wahrgenommen werden, was wiederum Anleihen attraktiver machen könnte. | ||||||
Wer könnte zu den Verlierern gehören? | ||||||
Energiesektor | ||||||
Sollten russische Energielieferungen wieder anlaufen, könnten die Preise für Öl und Gas unter Druck geraten. Unternehmen, die stark von den Energieexporten in die EU profitiert haben, müssten sich auf Turbulenzen einstellen. | ||||||
Rüstungsindustrie | ||||||
Aktien von Rüstungsunternehmen haben seit Kriegsbeginn massiv zugelegt, einige um mehrere hundert Prozent. Bei einem Waffenstillstand könnten diese Titel kurzfristig stark unter Druck geraten. | ||||||
Edelmetalle | ||||||
Gold gilt als "sicherer Hafen" in geopolitischen Krisen und hat seit Kriegsbeginn rund 50 % zugelegt. Eine Deeskalation des Konflikts könnte den Goldpreis zumindest temporär belasten. | ||||||
Fazit | ||||||
Noch ist ein Waffenstillstand in der Ukraine kein Hauptthema an den Finanzmärkten - doch die politische Agenda der nächsten Wochen könnte dies ändern. Sollte eine diplomatische Lösung an Fahrt gewinnen, könnten sich Marktreaktionen rasch und unerwartet stark entfalten. Während viele Investoren weiterhin auf KI oder Handelskonflikte blicken, könnte sich bald ein völlig neues Narrativ durchsetzen - eines, das nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche Konsequenzen hätte. Der Markt ist möglicherweise noch nicht darauf vorbereitet. Klicken Sie hier und lesen Sie den vollständigen Beitrag. |