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© Foto: Symbolbild von Karan Bhatia auf Unsplash
Die Börse hat mal wieder ihre ganz eigenen Gesetze, wie man es im Fußball bei den Spielen im DFB-Pokal nachsagt. Da kämpft Thyssenkrupp seit Jahren mit Stahlkrisen, Schuldenbergen und Restrukturierungsbaustellen und plötzlich schießt die Aktie wie von Geisterhand um knapp 20 Prozent in die Höhe. Innerhalb von Stunden kletterte das Papier über die magische 5-Euro-Marke als wäre dies so einfach und ließ Anleger staunend zurück. Doch was ist da wirklich los, steckt hinter dem Kursfeuerwerk nur heiße Luft oder hat der angeschlagene Riese aus dem Ruhrpott endlich den Turbo gezündet? Wir haben die Gründe unter die Lupe genommen: Von milliardenschweren U-Boot-Deals über einen geplanten Börsengang bis hin zu spekulativen Zockern und Short-Sellern, die jetzt in Panik geraten.
Marine-Sparte als Gamechanger: Warum plötzlich alle von U-Booten schwärmen
Alles begann mit einem analystischen Paukenschlag: Die Bank of America hat Thyssenkrupp ein Kursziel von 8 Euro verpasst - das sind über 50 Prozent Luft nach oben gewesen. Der Grund ist die Marine-Sparte TKMS, die U-Boote für die NATO baut. Laut Analyst Jason Fairclough könnte der geplante Börsengang von TKMS den Konzernwert revolutionieren. Denn während Stahlfirmen wie lahme Enten gehandelt werden, gelten Rüstungsschmieden aktuell als der heißeste "Scheiß". Fairclough rechnet vor, dass TKMS allein mit 1,45 Milliarden Euro fast die Hälfte des aktuellen Börsenwerts ausmachen könnte. Ein IPO wäre also wie ein Mega-Booster für die Bilanz. Doch das ist noch nicht alles, denn TKMS hat einen Auftragsberg von 16 Milliarden Euro angehäuft. Das ist genug Arbeit für die nächsten acht Jahre. Kein Wunder, dass Investoren jetzt hellhörig werden. Während andere Konzerne um jeden Deal betteln, kann Thyssenkrupp hier einfach die Werkstore aufreißen und Geld scheffeln. Und da der Ukraine-Krieg die Rüstungsausgaben in Europa explodieren lässt, passt TKMS perfekt in den aktuellen Börsenhype um "Defense Stocks".
Short-Squeeze-Alarm: Zocker geraten unter Druck
Hier kommt der Pokerfaktor ins Spiel: Über 10 Prozent der Aktien sind in Short-Positionen, d. h. es sind Wetten auf fallende Kurse. Jetzt, wo das Papier abhebt, müssen diese Spieler blitzschnell kaufen, um ihre Verluste zu stoppen. Dieses Panik-Kaufen treibt den Kurs zusätzlich hoch, fast wie beim Memestock-Hype 2021. Ein gefährliches Spiel, aber für Momentum-Jäger ein gefundenes Fressen. Je höher der Kurs jetzt steigt, desto schneller werden viele gezwungen, einzudecken. Das befeuert den Kurs sicherlich enorm.
Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Während die Marine-Sparte boomt, ächzt der Rest des Konzerns: Die Stahlsparte leidet unter schwacher Nachfrage und Preisdruck, die Automobilzulieferer kämpfen mit der E-Mobilitätswende, und die Aufzugssparte hängt auch nur rum. Im letzten Quartal gab es zwar ein operatives Ergebnis von 191 Mio. Euro (Vorjahr: 84 Mio.), aber am Ende stand trotzdem ein Minus von 51 Mio. Euro. Immerhin ist dies gegenüber dem Vorjahresverlust von 314 Mio. schon ein Fortschritt. Ein Lichtblick gab es beim Free Cashflow. Statt erwarteten 100 Mio. Euro Abfluss rechnet Thyssenkrupp jetzt mit bis zu 300 Mio. Euro Zufluss. Dies kam vor allem dank großer Anzahlungen für vier U-Boot-Neubauten.
Charttechnik: Die 5-Euro-Hürde ist genommen
Seit Monaten dümpelte die Thyssenkrupp-Aktie zwischen 4 und 4,80 Euro vor sich hin - doch seit dieser Woche ist alles anders. Der Ausbruch über 5 Euro war wie ein Befreiungsschlag und hat technisch gesehen alle Signale auf Grün gesetzt. Charttechniker feiern jetzt dieses Ampel-Grün-Signal, bei der der 50-Tage-Durchschnitt den 200er überholt, bzw. gekreuzt hat. Dies ist in der Charttechnik ein klassisches Kaufsignal. Kurzfristig könnte es Richtung 6 oder 6,50 Euro gehen, dem nächsten Widerstand aus dem Frühjahr 2024. Langfristig träumen Bullen sogar von 8 Euro, dem Kursziel der Bank of America. Aber Vorsicht ist geboten, denn bei so einem Hype sind Rücksetzer immer möglich. Wer jetzt einsteigt, könnte unserer Meinung nach mit Stopps unter 4,80 Euro agieren, um nicht im Fall der Fälle abgeschossen zu werden. Der RSI mahnt nämlich aktuell ebenfalls zur Vorsicht. Er liegt deutlich im überkauften Bereich über der 70er Marke. Dennoch ist das wenig aussagekräftig, wenn Short-Seller gezwungen werden einzudecken, denn dann nährt das Momentum das Momentum.
Chance und/oder Risiko?
Thyssenkrupp ist gerade aktuell eine Zocker-Aktie mit Potenzial. Die Fundamentaldaten sind noch wackelig (Stichwort: Stahlkrise), aber die Marine-Sparte und der mögliche Börsengang bieten massives Potenzial. Dazu kommt der Chart-Breakout und der Short-Squeeze, der den Kurs kurzfristig weiter treiben könnte und der Ritterschlag durch die BoA. Bei Rücksetzern könnte man einsammeln.
Autor: Felix Goldbach, FinanzNachrichten-Redaktion
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