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(neu: Stellungnahme Journalistenverband und Forsa, BSW-Stimmen aus den Ländern)
BERLIN (dpa-AFX) - Nach dem sehr knappen Scheitern bei der Bundestagswahl erwägt das Bündnis Sahra Wagenknecht eine rechtliche Überprüfung des Ergebnisses. Dies kündigten die Vorsitzenden Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali in Berlin an. Wagenknecht legte sich vorerst nicht fest, ob sie an der Spitze der 2024 gegründeten Partei bleiben will. Das Projekt BSW werde aber Bestand haben, sagte die 55-Jährige.
Das BSW war bei der Bundestagswahl am Sonntag mit 4,97 Prozent der Stimmen denkbar knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Eine mögliche rechtliche Handhabe sieht die Parteispitze, weil von den 230.000 registrierten Wahlberechtigten im Ausland wegen kurzer Fristen viele ihre Stimme nicht hätten abgeben können.
Nur 13.400 Stimmen fehlten
Wagenknecht sagte, es hätten nur etwa 13.400 Stimmen zum Einzug in den Bundestag gefehlt. "Das ist nicht von der Hand zu weisen, dass das durchaus bei einer flächendeckenden Wahl der Auslandsdeutschen möglich gewesen wäre." Es stelle sich die Frage nach dem rechtlichen Bestand des Ergebnisses.
Die Co-Direktorin des Düsseldorfer Universitätsinstituts für Parteienrecht, Sophie Schönberger, sieht allerdings keinen Verfassungsanspruch auf Briefwahl und hält eine Klage daher für aussichtslos, wie sie der "Zeit" sagte.
Mohamed Ali verwies zudem auf mögliche Verwechslungen des BSW mit der Partei Bündnis Deutschland in einigen Wahllokalen, etwa in Aachen. Man müsse sehen, ob dies relevant sei. Sie sagte: "Wir werden die Sache jetzt juristisch überprüfen lassen."
Strafanzeige geplant
Strafanzeige will Wagenknecht nach eigenen Worten stellen, weil am Wahltag nach ihrer Darstellung falsche Umfragewerte auf der Plattform X veröffentlicht worden seien. Dort sei das BSW nur mit drei Prozent angegeben worden. Das habe Wählerinnen und Wähler womöglich beeinflusst.
Wagenknecht wiederholte auch ihre Vorwürfe, dass das BSW im Wahlkampf von Medien ausgegrenzt und von einzelnen Umfrageinstituten bewusst mit zu niedrigen Werten geführt worden sei. Dass ein Institut das BSW weniger als 48 Stunden vor der Wahl auf drei Prozent "gesetzt" habe, das "war keine Wahlprognose, sondern eine gezielte Aktion zur Manipulation von Wahlverhalten".
Wagenknecht nannte namentlich das Institut Forsa. Forsa-Geschäftsführer Peter Matuschek wies die Vorwürfe zurück. Wahlumfragen seien generell mit Unsicherheit behaftet und keine Prognosen für den Wahlausgang. "Sowohl bei den Werten für die FDP als auch das BSW hat Forsa vor der Wahl mehrfach darauf hingewiesen, dass beide Parteien aufgrund der statistischen Fehlerschwankungen durchaus noch in den Bundestag einziehen können", erklärte Matuschek auf Anfrage der dpa. Der Deutsche Journalistenverband nannte Wagenknechts Vorwürfe absurd.
Wagenknecht lässt Frage nach Rückzug offen
Die Parteichefin war im Oktober 2023 nach langem Streit aus der Linken ausgetreten und hatte Anfang 2024 das BSW gegründet. Vor einigen Tagen hatte sie gesagt: "Die Wahl ist natürlich auch die Entscheidung über meine politische Zukunft. Wer nicht im Bundestag ist, ist in der deutschen Politik kein relevanter Faktor mehr."
Auf einen Rückzug von der Parteispitze wollte sie sich aber am Tag nach der Wahl nicht festlegen. Dies werde in den Gremien beraten, sagte Wagenknecht in Berlin vor Journalisten. "Ich weiß, dass Sie das sehr gerne jetzt hören möchten, und deshalb werde ich Ihnen diesen Gefallen jetzt nicht tun."
"Bitterer Beigeschmack"
Wagenknecht räumte ein, dass das Ergebnis einen bitteren Beigeschmack habe. Es sei ein Rückschlag gewesen. "Er wird das BSW als erfolgreiches Parteiprojekt aber nicht beenden." Der Partei seien im ersten Jahr beispiellose Erfolge gelungen.
Dazu zählt der Einzug ins Europaparlament und in die drei Landtage in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. In Thüringen und Brandenburg regiert das BSW mit. "Wir sind jetzt Anker für die Partei, das ist ganz klar", sagte der Brandenburger BSW-Landesgeschäftsführer Stefan Roth. Das Thüringer BSW will sich stärker inhaltlich in der Partei einbringen, wie Landeschefin Katja Wolf sagte. Der sächsische Vize-Parteichef Ronny Kupke sagte: "Ich glaube nicht, dass es das Ende des BSW ist." Die Partei werde gebraucht, auch wenn es jetzt nicht für den Bundestag gereicht habe.
Wagenknecht hatte die Regierungsbeteiligung in Thüringen und Brandenburg mit dem Rückgang der Zustimmung für das BSW in Zusammenhang gebracht. Sie seien für das BSW ein Dilemma gewesen, weil hohe Erwartungen nicht unmittelbar zu erfüllen gewesen seien, sagte die Parteichefin./vsr/DP/stw