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Der Mann macht Tempo. CDU-Chef Friedrich Merz, dem der Einzug ins Kanzleramt nach dem Wahlergebnis vom Sonntag nicht mehr zu nehmen ist, hat einen straffen Zeithorizont für die Regierungsbildung genannt - bis Ostern - und seine wichtigste Priorität: die Stärkung Europas, um es von den USA unabhängig zu machen. Merz weiß, dass Deutschland bei dieser Stärkung vorangehen muss - politisch, wirtschaftlich, militärisch - und dass dies viel Geld kosten wird. Es ist nur konsequent, dass er den anderen Parteien schnelle Gespräche über eine Verfassungsänderung zur Reform der Schuldenbremse anbietet.
Es ist gut, dass Merz so entschieden vorangeht. Und es wäre gut, wenn die SPD ihre Rolle als einziger in Betracht kommender Koalitionspartner nicht lang für demonstratives Zieren nutzt. Mit dem Hinweis, es stehe nicht fest, ob die SPD in eine Regierung eintritt, wird Parteichef Lars Klingbeil keinen Zehntelpunkt an verlorenem Vertrauen zurückgewinnen. Beide künftigen Partner, Union und SPD, schaffen das nur, wenn sie jetzt liefern.
Wohlgemerkt: beide. Die SPD hat ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl verbucht, die Union ihr zweitschlechtestes. Vordergründig bekamen die Sozialdemokraten wie die Grünen und die gescheiterten Liberalen ihre Quittung für die traurige Vorstellung der Ampelkoalition. Und ja, Merz' Beliebtheitswerte sind schwach. Seine Fehler im Umgang mit der AfD vor der Wahl dürften das Ergebnis der Union weiter gedrückt haben. Profitiert hat davon aber nicht die SPD, sondern die Linke von TikTok-Größe Heidi Reichinnek.
Das weist auf tiefer liegende Krisenursachen hin. Wie in anderen europäischen Ländern arbeiten Rechts- wie Linksaußenparteien mit Simpel-Parolen im Namen eines behaupteten Volkswillens ohne Rücksicht auf Minderheiten daran, die Parteien der demokratischen Mitte zu pulverisieren. Die SPD beispielsweise hat in besorgniserregender Weise nicht nur an Linke und BSW, sondern auch an die AfD Wähler verloren.
Wie weit dieser Zermürbungsprozess schon fortgeschritten ist, zeigt sich daran, dass Merz jetzt im Eiltempo Verfassungsänderungen durchsetzen will und muss. Denn nach der Konstituierung des neuen Bundestages fehlt den Mitte-Parteien Union, SPD und Grüne die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Und nur haarscharf ist unser Land an einer Situation vorbeigeschrammt, in der ein schwarz-rot-grünes Bündnis einer ausschließlich aus Radikalen bestehenden Opposition gegenübergestanden hätte.
Anders als etwa die ehemaligen italienischen Christdemokraten und Sozialisten sind ihre deutschen Schwestern noch als aktionsfähige Größen vorhanden. Sie bleiben es nur, wenn sie konkrete Probleme lösen. Wenn sie unsere Widerstandsfähigkeit gegen US-Erpressungen und russisches Hegemoniestreben sichern, wenn sie Wirtschaft und Infrastruktur stärken, wenn sie das Unterlaufen europäischen und nationalen Rechts durch irreguläre Migration wirksam bekämpfen. Das bedarf mühsamer Detailarbeit. Es wäre ein Fehler, die Illusion schneller Lösungen zu wecken. Ebenso wäre es falsch, den Leuten einreden zu wollen, Reformdruck bei Rente und Bürgergeld falle weg, wenn man nur - Stichwort Schuldenbremse - die Schleusen für Kredite öffne. Nüchterne, seriöse Arbeit ist das einzige, was die Parteien der demokratischen Mitte vor weiterer Beschädigung bewahren kann. Merz hat recht: Diese Arbeit muss sofort beginnen.
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