
- Komorbiditäten und altersbedingte Einschränkungen erhöhen die Komplexität der Versorgung von Seniorinnen und Senioren mit Seltenen Erkrankungen
- Erweiterung der Kodierung für den ambulanten Sektor und Heilberufe kann die Versorgung weiter verbessern
- Mustererkennung per KI könnte die oft langen Wege bis zur Diagnose kürzen und damit Patientinnen und Patienten, Behandelnde und Krankenkassen entlasten.
- ePA speichert zukünftig Patienteninformationen und ermöglicht Behandelnden jederzeit Zugriff auf notwendige Informationen für eine adäquate Behandlung
- Stärkung der Zentren für Seltene Erkrankungen sowie Patientenselbsthilfe
Die vergangenen Jahre sind geprägt von bemerkenswerten Fortschritten bei Diagnose, Therapie und Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen. Dadurch erreichen immer mehr Betroffene ein höheres oder sogar durchschnittliches Lebensalter. Das Älterwerden sowie damit verbundene spezifische Bedürfnisse stellen die Versorgungsstrukturen für Menschen mit Seltenen Erkrankungen vor neue Herausforderungen. Das sind unter anderem altersbedingte Komorbiditäten und Einschränkungen sowie spezifische Anforderungen vor allem an die Altenpflege. Die Besonderheit einer altersgerechten Versorgung verdeutlicht einmal mehr den weiterhin bestehenden Handlungsbedarf, Diagnose und Therapie von Seltenen Erkrankungen zu verbessern. Lösungsansätze - vor allem eine ausgeweitete Kodierung, der forcierte Einsatz von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz - und ein höherer Stellenwert der Seltenen Erkrankungen in den Ausbildungs-Curricula aller Heilberufe waren Thema des 9. Fachgesprächs von Takeda zum Tag der Seltenen Erkrankungen, das am 12. März in Berlin stattfand.
Von der Drehtürpatientin zur Therapie
Der Fall einer 68-jährigen Patientin, die über mehr als 30 Jahre Beschwerden durch einen über den gesamten Körper ausgebreiteten Hautauschlag hatte, illustrierte eine typische Situation von Menschen mit Seltenen Erkrankungen. Erst vor wenigen Wochen überwies ein Hausarzt die Frau ans Zentrum für Seltene Erkrankungen des Uniklinikums Aachen. Prof. Martin Mücke, Direktor dieses Zentrums, der den Fall auf dem Fachgespräch vorstellte, konnte mit seinem Team binnen weniger Wochen einen diagnostischen Ansatz ermitteln, der in der interdisziplinären Fallkonferenz des Zentrums bestätigt wurde. Dank der daraufhin initiierten genetischen Diagnostik wurde der Auslöser der Beschwerden gefunden. Nach mehr als 30 Jahren hatte die Patientin einen Namen für ihre Beschwerden und es gab eine Therapie für sie. Endlich fühlte sie sich vom System ernst genommen. Bis dahin war sie als Drehtürpatientin von einer zur anderen Praxis weitergereicht worden. Die Frage einer schnelleren, zielgerichteten Diagnose ist ein wichtiger Aspekt bei der Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen im Alter. Denn ohne Diagnose keine adäquate Behandlung.
Bei dem Fachgespräch wurde deutlich, dass sich die alltäglichen Herausforderungen mit zunehmendem Lebensalter verschärfen. Dazu gehören auch Komorbiditäten und vor allem deren medikamentöse Behandlung. Nicht spezialisierten Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegenden kann oft das umfassende Wissen über die mehr als 8.000 Seltenen Erkrankungen fehlen, das zur Einordnung und Abgrenzung von Symptomen nötig ist. Symptome werden zu schnell der bekannten seltenen Grunderkrankung zugeordnet. So wird möglicherweise ein altersbedingtes, durchaus behandelbares Problem nicht diagnostiziert und therapiert. Das Podium des Fachgesprächs war sich zudem einig, dass in den Curricula der ärztlichen und pflegerischen Ausbildung die Seltenen Erkrankungen einen größeren Raum einnehmen müssten, um sie in diesen Bereichen zu verankern.
Ein zunehmendes Wissen um Seltene Erkrankungen und deren Behandlung allein kann die Situation der Betroffenen und deren umfängliche Versorgung nicht verbessern. Oft scheitert es im ärztlichen Alltag bereits an der adäquaten Dokumentation einer solchen Erkrankung. Denn im ambulanten Sektor lassen sich die Diagnosen dieser Krankheitsbilder bisher nicht adäquat kodieren. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen im Alter. Denn ohne Kodierung ist es z. B. nicht möglich, für die Betroffenen einen angemessenen Pflegegrad zu beantragen. Bei dem Fachgespräch bestand auch darüber Einigkeit, dass sich die Kodierung außerhalb des stationären Bereichs nicht nur auf die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte beschränken sollte, sondern künftig auch auf unterstützende Berufsgruppen.
Diskutiert wurde auch, wie man mit einer sich verändernden Leistungsfähigkeit im Alter besser umgehen kann. Denn: Viele von Seltenen Erkrankungen Betroffene oder ihre Angehörigen managen die Versorgung selbst. Sie koordinieren Arztbesuche, Termine bei Physio- und Ergotherapie, beantragen Hilfsmittel. Das können Aufgaben sein, die Betroffene oder deren Angehörige mit zunehmendem Alter weniger gut oder gar nicht mehr erfüllen können. So können beispielsweise dementielle Erkrankungen oder Schlaganfälle zu einem abrupten Ende des eigenständigen Umgangs mit der Erkrankung führen. Über Beratungsstellen oder zumeist ehrenamtlich organisierte Selbsthilfe lassen sich diese Leistungen nicht abdecken. Hier entsteht ein großes Defizit in der Versorgung, das weiter anwachsen wird.
Digitalisierung des Gesundheitssystems: ePA und KI als Hoffnung
Bei nahezu allen Fragen zur Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen sprachen die Teilnehmenden der Diskussionsrunde immer wieder den Mangel an Ressourcen an. Es fehle an Finanzausstattung aber auch an Personal. Im Wissen um die Grenzen des Gesundheitssystems wurde deshalb der Fokus der Diskussion immer wieder auf die Digitalisierung gelegt. Die sich daraus ergebenden Chancen ließen durchaus Hoffnung aufkeimen. Auch wenn das Potenzial der elektronischen Patientenakte (ePA) unterschiedlich eingeschätzt werde, ermögliche sie eine zuverlässige Bereitstellung notwendiger Patienteninformationen für Behandelnde. Bei allen offenen Fragen sei dies eine Option, die es zu nutzen gelte.
Ein potenter Motor, der von der Digitalisierung angetrieben wird, ist die Künstliche Intelligenz. Sie wird künftig dazu beitragen, trotz breiter Symptomatik von Seltenen Erkrankungen gezielter und schneller zur Diagnose zu kommen. Dies kann zukünftig den spezialisierten Zentren einen Teil der Arbeit abnehmen. Das erhöht die Chancen, die Leidenswege für alle Menschen mit Seltenen Erkrankungen zu verkürzen.
Das 9. Fachgespräch zum Tag der Seltenen Erkrankungen hat erneut gezeigt, dass die Community der Seltenen Erkrankungen konstruktiv und lösungsorientiert diskutiert und zusammenarbeitet. Die großartige Resonanz unter den Diskutierenden und Gästen sowie die emotionalen Momente in der Diskussion verstärkten dieses Bild.
Ein ausdrücklicher Dank geht an den Schirmherrn des Fachgesprächs, den Bundestagsabgeordneten Erich Irlstorfer, sagt Takeda Geschäftsführer Jean-Luc Delay. Erich Irlstorfer engagiert sich seit vielen Jahren im Deutschen Bundestag für die Belange von Menschen mit Seltenen Erkrankungen. Mit dem Auslaufen seines Bundestagsmandats verknüpft, ist sein Appell an die Verhandlerinnen und Verhandler des Koalitionsvertrags, hierin auch Seltene Erkrankungen als weiterhin wichtiges Handlungsfeld zu verankern.
Zitate vom 9. Fachgespräch zum Tag der Seltenen Erkrankungen
Jean-Luc Delay*, Geschäftsführer der Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co. KG in Berlin und Sprecher der Geschäftsführung der Takeda GmbH
"Seltene Erkrankungen sind nicht statisch, sie verändern sich mit der Zeit, und die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten verändern sich mit ihnen. Mit dem 9. Fachgespräch zum Tag der Seltenen Erkrankungen wollen wir diesen von der Öffentlichkeit bisher noch wenig beachteten Aspekt thematisieren. Denn die Frage, wie wir auch älter werdenden Menschen mit Seltenen Erkrankungen eine bestmögliche Versorgung gewährleisten, gewinnt dank des medizinischen Fortschritts an Relevanz."
Nicole Heider, M.Sc. Pflege, Betroffenen- und Angehörigenberatung, ACHSE Wissensnetzwerk und Beratung
"Die fehlende Integration des ambulanten Bereichs in die Codierung seltener Erkrankungen bedeutet, dass Haus- und Fachärzte diese Diagnosen kaum angeben können - selbst, wenn sie es möchten. Dies führt zu Problemen bei der Beantragung von Pflegeleistungen, da Gutachter ohne klare Informationen über die damit verbundenen Einschränkungen eine angemessene Bewertung des Pflegegrades nur schwer vornehmen können."
Gabi Faust, Bundesvorsitzende, Selbsthilfe für entzündliche Neuropathien, Guillain-Barré-Syndrom und Varianten
"Wenn beispielsweise der Input von Ergo- und Physiotherapeuten ordentlich vergütet würde, könnten sie dem Arzt Arbeit abnehmen. Aktuell laufen bei diesen Berufsgruppen viele Erkenntnisse auf, die aber nicht ins System - etwa die ePA - gelangen. Deshalb müssen Ärzte vieles immer wieder bei den Patienten abfragen. Anders als in Deutschland gibt es bei der Digitalisierung des Versorgungsmanagements und des Wissenstransfers gute Projekte in Europa. Ich hoffe darauf, dass die auch in Deutschland ankommen. Wenn dann die Akteure auch noch dafür entlohnt würden, hätten wir eine deutlich bessere Situation."
Erich Irlstorfer, Schirmherr des 9. Fachgesprächs zum Tag der Seltenen Erkrankungen und Mitglied des Bundestages, CDU/CSU-Fraktion
"Wir müssen noch massiver und hartnäckiger werden. Wir müssen uns überall mit den Themen der Seltenen Erkrankungen positionieren. Wir müssen immer wieder lästig sein, damit unser Anliegen nicht vergessen wird. Die Forderung ist, dass wir nicht wieder aus dem Haushalt verschwinden, dass wir bei den Koalitionsverhandlungen auch in den Ländern dabei sind und wir auch dort in den Regierungsprogrammen erscheinen."
Prof. Dr. Martin Mücke, Facharzt für Allgemeinmedizin, Professor für Digitale Allgemeinmedizin an der RWTH Aachen, Vorstandssprecher des Zentrums für Seltene Erkrankungen des Uniklinikums Aachen, Mitglied des Vorstands der Deutschen Zentren für Seltene Erkrankungen
"Warum übergeben die Krankenkassen den Prüfauftrag für diese speziellen Fälle an die Medizinischen Dienste und nicht an die Zentren für Seltene Erkrankungen? Als interdisziplinäre Fachgruppen könnten diese die Sachverhalte direkt beurteilen und den Krankenkassen ein fundiertes, rechtlich belastbares Votum liefern. Dadurch ließen sich kostspielige Gerichtsverfahren vermeiden und finanzielle Mittel gezielt in die Versorgung seltener Erkrankungen investieren.
Zudem arbeiten wir daran, umfangreiche Patientenakten automatisiert zu analysieren und strukturierte Kasuistiken zu erstellen. Dabei wird nicht nur eine Zusammenfassung erarbeitet, sondern auch identifiziert, welche diagnostischen Schritte noch fehlen. Künstliche Intelligenz wird diesen Prozess künftig erheblich beschleunigen. Während die manuelle Aufarbeitung einer Akte derzeit eine Woche in Anspruch nimmt, kann eine KI dieselbe Zusammenfassung in nur zehn Sekunden liefern."
Dr. Andreas Meusch, Beauftragter des TK-Vorstands für strategische Fragen des Gesundheitssystems
"Die Kodierung im ambulanten Bereich brauchen wir, um besser zu werden. Aber es gibt jetzt schon etwas ganz Einfaches, das wirklich jeder nutzen kann: Die ePA ausfüllen. Wenn wir sie weiterhin nicht nutzen, nicht gangbar machen, bleibt sie stecken! Mit der ePA klappt auch die Digitalisierung besser und Daten lassen sich besser auswerten. Wir müssen die Digitalisierung an den Stellen nach vorne tragen, wo dies aktuell möglich ist."
Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit (Videobotschaft)
"Eindeutig ist: Es besteht weiter ein starker Wille für eine bessere Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen. Das belegt etwa das 2010 gegründete Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen - NAMSE. Daran sind unter anderem das Bundesministerium für Gesundheit, die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen - der ACHSE e.V. - und viele weitere hoch engagierte Bündnispartnerinnen und -partner beteiligt."
* Dr. Ingeborg R. Borgheim wird Sprecherin der Geschäftsführung der Takeda GmbH und übernimmt damit die Leitung von Takeda in Deutschland. Sie folgt in dieser Funktion zum 01.04.2025 Jean-Luc Delay, der gleichzeitig zum Präsidenten der Region Europa-Kanada von Takeda berufen worden ist.
Über Takeda
Takeda will die Gesundheit von Menschen verbessern und der Welt eine schönere Zukunft ermöglichen. Unser Ziel ist es, in unseren therapeutischen und unternehmerischen Kernbereichen lebensverändernde Therapien zu erforschen und bereitzustellen - dazu gehören gastroenterologische und entzündliche Erkrankungen, Seltene Erkrankungen, Plasmabasierte Therapien, Onkologie, Neurowissenschaften und Impfstoffe. Im Rahmen von Partnerschaften wollen wir die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten verbessern und mit unserer dynamischen und vielfältigen Pipeline neue Behandlungsmöglichkeiten schaffen. Takeda in Deutschland gehört mit über 2.000 Mitarbeitenden zu den weltweit größten Landesgesellschaften von Takeda. www.takeda.de
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