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Von Bayern nach Mailand: Warum die Berlusconis jetzt zuschlagen - und warum die ProSieben-Aktie trotzdem abstürzt. Der Medienmarkt brodelt! Die italienische Berlusconi-Dynastie legt sich mit ProSiebenSat.1 an und will den deutschen TV-Riesen endgültig unter ihr Dach holen. Doch das Übernahmeangebot kommt überraschend lasch: Statt Aufschlag gibt es Rabatt auf die Aktie. Wie passt das zusammen? Und warum sackte der Kurs nach der News um fast 10 Prozent ab? Hier kommt der Durchblick im Chaos. Wer treibt hier eigentlich wen vor sich her? Warum will MFE unbedingt die 30 Prozent-Marke knacken? Und lohnt sich jetzt der Einstieg in der "Talfahrt-Aktie"?
Pokerface der Berlusconis - Warum jetzt und warum so billig?
Seit Jahren umkreist die Berlusconi-Holding MFE den deutschen Senderriesen wie ein Raubvogel von oben. Jetzt endlich der Angriff: Ein Übernahmeangebot, das vor allem eines nicht ist - großzügig. Statt Prämie zahlen die Italiener voraussichtlich unter dem aktuellen Kurs. Der Deal: 78 Prozent Cash, 22 Prozent MFE-Aktien, basierend auf einem dreimonatigen Durchschnittspreis von rund 5,70 Euro. Pech für Aktionäre. Am 26.3. lag die Aktie noch knapp unter 7 Euro. Jetzt liegt die Aktie um die 5,80 Euro. Doch warum der Geiz der Italiener? Ganz einfach: MFE braucht nur haarscharf über 30% der Anteile, um endlich "durchregieren" zu können. Alles darüber wäre teurer und ab 30% müssten sie eh ein Pflichtangebot starten. Clever: Einen anonymen Großaktionär haben sie schon im Boot, der einen Teil seiner Papiere abgibt. So sichern sie sich die kritische Schwelle ohne Kampf. Für ProSieben-Chef Bert Habets ein Schachmatt? Der Konzern prüft "sorgfältig", aber die Italiener drängeln seit 2019. Ihr Ziel: Schluss mit Experimenten wie Verivox oder Flaconi, zurück zum Kerngeschäft. TV gegen Netflix & Co., aber gemeinsam.
Von Feinden zu Partnern? Eine toxische Beziehung!?
Eigentlich war es nie Liebe. Als MFE 2019 erstmals bei ProSieben einstieg, gab es nur bayerisches Desinteresse. Doch seit Bert Habets 2022 das Ruder übernahm, taut das Eis. Im Aufsichtsrat drücken die Italiener schon länger ihre Agenda durch: "Verkauft die Randgeschäfte! Konzentriert euch aufs TV-Geschäft!" Verivox z. B. ging diese Woche für 232 Mio. an die Italiener, Flaconi ist der nächste Ausverkauf. Pier Silvio Berlusconi, MFE-Chef und Sohn des schillernden Ex-Premiers Silvio, macht kein Hehl aus seiner Mission: "Viele Sender haben in digitale Abenteuer investiert - und jetzt schwimmen sie in Problemen." Seine Diagnose: Nur geballte Europa-Macht kann gegen US-Streaming-Riesen wie Netflix bestehen. Ob das stimmt? ProSieben hat immerhin um die 50 Prozent Kursplus seit MFEs letzter Aufstockung im November. Doch jetzt der Dämpfer: Das aktuelle Angebot liegt 10 Prozent unter dem aktuellen Kurs. J.P. Morgan-Analyst Daniel Kerven ist skeptisch: "Warum sollten Aktionäre freiwillig mit Verlust verkaufen?"
Chart-Crash - Was tun mit der Aktie?
Die ProSieben-Aktie jagte von 4,50 Euro (November 2024) auf 6,80 Euro im März - nur um nach dem MFE-Angebot auf unter 6 Euro einzubrechen. Die Schlüsselmarke ist aktuell bei 5,70 Euro, der angebotene Durchschnittspreis. Fallen wir stärker darunter, droht ein Rutsch in die Tiefe und somit in Richtung 5 Euro. Die Hoffnung: Vielleicht pokern Aktionäre auf ein höheres Angebot und stemmen den Kurs nach oben in Richtung 6 Euro. Oder MFE muss nachlegen. Kurzfristig geht es um die Nerven und die Aktie ist und bleibt eine reine Spekulationsmasse. Der RSI gibt aktuell auch wenig Tendenz vor. Er liegt knapp über der 50er Marke und damit im neutralen Bereich.
Was tun?
Fundamental hat ProSieben mit 1,5 Mrd. Euro Marktwert schon noch Luft nach oben - wenn das Streaming-Geschäft (Joyn) endlich durchstartet. Doch die Schuldenlast drückt, und die Werbebranche lahmt. Die Verkäufe von Verivox/Flaconi spülen zwar Cash rein, aber ob es reicht, wagen viele Experten zu bezweifeln. Daher ist es manchmal besser, von der Seitenlinie aus zuzuschauen und das Risiko zu meiden. ProSieben ist kein "No-Brainer". Der Übernahme-Poker ist noch lange nicht gelaufen. MFE könnte nachbessern, andere Bieter auftauchen. Aber kurzfristig drückt der Angebotspreis wie ein Mühlstein. Wenn die Berlusconis ProSieben wirklich zum europäischen Netflix-Konkurrenten formen, könnte die Reise langfristig aufwärts gehen. Aber das ist ein großes Wenn und kein großes Wird/Muss.
Autor: Felix Goldbach, FinanzNachrichten-Redaktion
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