
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: "Nach den bislang gewonnenen Erkenntnissen ist die verzögerte Bereitstellung der vertraglich vereinbarten Standorte als kartellrechtswidrige Behinderung von 1&1 bei seinem Markteintritt als vierter Netzbetreiber zu werten. Diese Verzögerung und ihre negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb auf den betreffenden Märkten hätten nach unserem derzeitigen Kenntnisstand vermieden werden können und aufgrund des kartellrechtlichen Missbrauchsverbot auch vermieden werden müssen. Wir ziehen vorläufig in Betracht, die Bereitstellung der noch ausstehenden Standorte mit unseren kartellbehördlichen Mitteln durchzusetzen."
Vantage Towers ist die ausgegliederte Funkturmsparte des Vodafone-Konzerns. Nach Ausgliederung sowie auch während einer Phase der Börsennotierung blieb die Obergesellschaft des Vodafone-Konzerns lange Zeit Mehrheitseignerin. Mittlerweile steht Vantage Towers unter gemeinsamer Kontrolle der Vodafone Group und zweier Finanzinvestoren. Vantage Towers vertreibt und verwaltet in Deutschland ca. 20.000 Antennenstandorte. Die Standorte werden weiterhin von Vodafone als Hauptmieterin genutzt und sind damit wesentlicher Bestandteil des deutschen Mobilfunknetzes von Vodafone. Das Geschäftsmodell von Vantage Towers sieht es grundsätzlich vor, Flächen zur Antennenmontage an den Standorten auch an andere Mobilfunknetzbetreiber neben Vodafone zu vermieten, hierfür ist jedoch eine enge Abstimmung mit Vodafone erforderlich.
Vantage Towers hatte Ende 2021 mit 1&1 eine vertragliche Vereinbarung über die Mitnutzung einer vierstelligen Zahl an Antennenstandorten geschlossen, die in mehreren Chargen bis insgesamt Ende 2025 realisiert werden sollte. Die Termine für die vereinbarten Bereitstellungsziele wurden dann nochmal vertraglich um ein Jahr nach hinten verschoben.
Die Bereitstellung der 1&1 zugesagten Standorte verzögert sich allerdings seit Vertragsschluss massiv. Aktuell ist weiterhin nur ein Bruchteil der vertraglich vereinbarten Standorte für 1&1 nutzbar. Vodafone selbst baute andererseits in den Jahren nach Vertragsschluss das eigene Netz stark aus und rüstete in weiten Teilen - auch an den für 1&1 vorgesehenen Standorten - auf 5G um.
Die Nutzung der vertraglich vereinbarten Standorte ist für 1&1 ein wesentlicher Faktor für den Aufbau des eigenen Mobilfunknetzes, der sich in der Folge stark verzögert. Dies führt nach vorläufiger Einschätzung des Bundeskartellamtes zu erheblichen Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfähigkeit von 1&1.
Angesichts der schwerwiegenden Folgen für den Wettbewerb auf den betroffenen Märkten stuft das Bundeskartellamt vorläufig das Verhalten von Vodafone und Vantage Towers als missbräuchliche Behinderung im Sinne des §§ 19, 20 GWB ein. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand hätten die Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten gehabt, auf etwaige Schwierigkeiten in der Vertragserfüllung zu reagieren, ohne dass es zu derart massiven Verzögerungen gekommen wäre. Hierzu hätten die Unternehmen zum Beispiel den Vodafone-eigenen Ausbau für eine Zeit auf andere als die für 1&1 vorgesehenen Standorte verlagern und/oder insgesamt mehr konzerneigene Ressourcen auf die Vertragserfüllung konzentrieren können.
Aus vorläufiger Sicht des Bundeskartellamtes legt es die allgemeine Interessenlage von Vodafone nahe, dass eine schleppende Vertragserfüllung Vodafone auch nicht ungelegen kam, da sich hierdurch der Marktzutritt eines weiteren Netzbetreibers auf den Mobilfunkmärkten verzögerte und sich gleichzeitig auch die Position von 1&1 hinsichtlich der Vergabe von Mobilfunkfrequenzen durch die Bundesnetzagentur verschlechterte.
Das Bundeskartellamt verhandelte mit Vodafone seit Ende 2023 über die Abgabe von Zusagen, mittels derer die nach vorläufiger Einschätzung bestehenden wettbewerblichen Probleme hätten ausgeräumt werden können. Bis zuletzt blieben die von den Unternehmen eingereichten Zusagenvorschläge jedoch derart weit hinter den zugesagten Bereitstellungen zurück, dass diese insgesamt vom Bundeskartellamt als ungeeignet angesehen wurden.
Das Bundeskartellamt zieht vorläufig in Betracht, neben der Feststellung der Kartellrechtswidrigkeit die Bereitstellung der ausstehenden Standorte innerhalb von drei Jahren anzuordnen sowie diese Anordnung mit weiteren Maßnahmen zu flankieren. Die ausführlich begründete Abmahnung bildet zunächst einen Zwischenschritt, der den Unternehmen die Möglichkeit einräumt, zur vorläufigen Einschätzung des Amtes im Einzelnen Stellung zu nehmen. Eine abschließende Entscheidung über den Vorwurf wird voraussichtlich Mitte des Jahres ergehen.
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