
Der "mutige" Jens Spahn
"Wer zu sehr die Folgen bedenkt, kann nicht mutig sein." Dieses Zitat wird Ali ibn Abi Talib, dem Schwiegersohn des islamischen Propheten Mohammed, zugeschrieben. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass Talib damals schon gewusst hat, in welche Richtung sich die deutsche Politik etwa 1500 Jahre nach seiner Geburt entwickelt. Mit solch irdischem Kleinklein hätte sich ein Mann seines Formats wohl auch nicht abgegeben. Allerdings scheint Unionsfraktionsvize Jens Spahn die Worte Talibs sehr verinnerlicht zu haben, ohne es überhaupt zu wissen. Denn der CDU-Mann wollte am Wochenende mutig sein. Richtig mutig sogar. Die Konsequenzen dagegen waren ihm nicht bewusst. Oder sie waren ihm egal. Was war passiert?
Spahn hat die AfD in der Springerpresse zu einer normalen Oppositionspartei gemacht. Zumindest was die Abläufe und Verfahren in Bundestag angeht. Wörtlich sagte er: "Da würde ich einfach uns empfehlen, mit der AfD als Oppositionspartei so umzugehen in den Verfahren und Abläufen, wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch." Spahn, zuletzt als flüchtlingsfeindlicher Dampfplauderer aufgefallen (https://www.spiegel.de/politik/migrationspolitik-jens-spahn-fuer-zurueckweisungen-an-der-grenze-notfalls-im-alleingang-a-f42190c3-c4bb-4a7e-88e0-f76e8d776d0a), hält in diesem "Bild"-Gespräch Alice Weidel und Konsorten praktisch die ausgestreckte Hand hin. Etwas widerwillig vielleicht, aber dennoch sind seine Worte eine bewusste Geste.
Und die bleibt nicht folgenlos. Während auf kommunaler Ebene eine Zusammenarbeit zwischen Union und AfD schon jetzt immer wieder für Schlagzeilen sorgt, dürfte Spahn eine Art Türöffner für ähnliche Abmachungen auf Bundesebene sein. Insgeheim wissen sowohl CDU und CSU als auch AfD, dass sie viel besser zusammenpassen als die künftigen Gro-Ko-Koalitionäre. Und dass nicht nur beim Thema Migration, wo man die Feste Europa gerne als Festung Deutschland verkleinern möchte. Auch in der Arbeits- und Sozialpolitik ist man auf einer Wellenlänge: So sind Gewerkschaften und Betriebsräte Union und AfD ein Dorn im Auge; beide Seiten stellen sich auch gegen eine Mietpreisbremse; und CDU/CSU und AfD sprechen sich für härtere Sanktionen für Sozialleistungsberechtigte aus. Wenn man so will, ist die AfD der logische Partner der Union unter der Führung von Friedrich Merz und Markus Söder. Das weiß auch Jens Spahn.
Ein erster Testballon für solch eine unappetitliche Zusammenarbeit war die Abstimmung des Bundestages Ende Januar: Da hat ein Unionsantrag für eine verschärfte Asyslpoliltik mithilfe der AfD eine Mehrheit bekommen. Eine echte "Zeitenwende" in der bundesdeutschen Politik, die die antifaschistische Brandmauer im Vorbeigehen entsorgt hat. Wann die Fortsetzung folgt, ist noch nicht abzusehen. Dass sie kommt, dagegen schon. Dem "mutigen" Jens Spahn sei dank.
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