
Die Effizienz von Palmölplantagen in Malaysia ist nach der Zertifizierung mit einem Nachhaltigkeitslabel gesunken. Das zeigt die Analyse von Satellitendaten. Das kann negative Folgen für die Umwelt und kleinere Produzenten haben.
An sich sind Nachhaltigkeitszertifikate eine gute Sache. Das Label auf der Verpackung garantiert, dass bei der Produktion gewisse Standards in Bezug auf Umwelt und Soziales eingehalten werden. Viele Konsumentinnen und Konsumenten achten darauf und sind bereit, dafür mehr zu bezahlen.
"Wie die Forschung zeigt, können Zertifikate aber auch unbeabsichtigte Auswirkungen haben. Wird zum Beispiel zu sehr auf die Umwelt geachtet, kommen soziale Aspekte möglicherweise zu kurz, und umgekehrt", gibt Nina Zachlod zu Bedenken.
Mit Unterstützung des SNF hat die Doktorandin nun anhand von Satellitendaten Palmölplantagen in Malaysia beobachtet. Ebenfalls zum Team gehörten Charlotta Sirén, Michael Hudecheck und Gerard George. Sie konnten nachweisen, dass es durch den Zertifizierungsprozess zu ungeplanten Einbussen bei der Effizienz kommen kann.
Palmöl steckt unter anderem in Lebensmitteln, Tierfutter, Kosmetika, Reinigungsprodukten und Biodiesel. Der globale Bedarf steigt ständig - etwa, weil immer mehr palmölhaltige verarbeitete Lebensmittel konsumiert werden. In den Jahren 2002/03 betrug der weltweite Konsum etwa 30 Millionen Tonnen, für dieses Jahr wird ein Verbrauch von knapp 80 Millionen Tonnen prognostiziert. Um Platz für neue Ölpalmen zu schaffen, wurden in den letzten Jahrzehnten in Südostasien viele Quadratkilometer Regenwald unwiederbringlich zerstört.
Inzwischen gibt es zahlreiche Nachhaltigkeitszertifikate, welche die negativen Auswirkungen solcher Plantagen auf Umwelt und Gemeinwohl verringern sollen. So haben sich Palmölproduzenten aus über 100 Ländern dem unabhängigen "Roundtable on Sustainable Palm Oil" angeschlossen. Die Non-Profit Organisation hat beispielsweise mittlerweile allen wichtigen Herstellern in Malaysia ein Zertifikat erteilt. Malaysia ist nach Indonesien der weltweit grösste Produzent von Palmöl.
Satellitenbilder zeigen lichtere Plantagen
Auch aus diesem Grund wählte Zachlod für ihre Analyse eine Region in Malaysia aus. Um die Produktivität der Palmölanlagen zu tracken, nutzte das Team Satellitenbilder der European Space Agency ESA, welche für Forschungszwecke frei zur Verfügung stehen.
"Die Auswertung von Satellitendaten hat ein grosses Potenzial. Dieses wird aber gerade in den Wirtschaftswissenschaften noch viel zu selten genutzt wird", erklärt Co-Autorin Charlotta Sirén, Direktorin des Institute of Responsible Innovation an der Universität St. Gallen (HSG). Der grosse Vorteil dabei: Die Forschung ist so nicht darauf angewiesen, dass Firmen ihre Daten zur Verfügung stellen. Oder dass deren herausgegebenen Zahlen korrekt sind.
Für das Projekt nahm das Team denjenigen Teil der Plantage, der sichtbar mit Ölpalmen bedeckt war, als Mass für die Effizienz. Je höher die prozentuale Abdeckung der Plantage mit Ölpalmen, desto grösser die Produktivität, so die Überlegung. Anhand der Satellitenaufnahmen bestimmten sie die Flächendeckung von Ölpalmen auf 144 Plantagen an der nördlichen Spitze von Borneo. Dies taten sie für die Jahre zwischen 2017 und 2023 - also vor, während und nach der Zertifizierung.
Etwa die Hälfte der beobachteten Anlagen gehörten einem Grossproduzenten, die andere Hälfte kleinen Zulieferern. Die Auswertung der Bilder zeigte ab 2018 eine anhaltende Abnahme in der Abdeckung der Plantagen. Damals wurden die Zertifizierungskriterien bekannt gegeben. Die Veränderungen liessen sich ausserdem nicht durch Ereignisse wie Wassermangel oder Preisschwankungen erklären.
"Anscheinend wurden ab dann vorbereitend auf das Zertifikat Massnahmen getroffen, die als Konsequenz eine geringere Effizienz in der Produktion hatten", vermutet Zachlod
Die Kriterien des Labels anpassen
Das Zertifikat schreibt allerdings nicht vor, dass die Effizienz gesenkt werden muss. Es handelt sich dabei um eine ungeplante Folge - möglicherweise, weil weniger Dünger eingesetzt werden darf. In der Dokumentation des Zertifikats finden sich jedoch keine Hinweise oder Überlegungen zu dieser möglicherweise vorhersehbaren Konsequenz.
Zachlod befürchtet, dass der Effizienzverlust negative Konsequenzen haben könnte: "Zum Ausgleich legen die Produzenten vielleicht neue Plantagen an." Denn eine Vergrösserung der Anbauflächen könnte den Verlust an Produktion und damit den Gewinn langfristig wettmachen. Das dürften die Produzenten zwar nicht in den geschützten tropischen Regenwäldern tun, aber in Gebieten, die dennoch viel Biodiversität aufweisen.
"Das ist natürlich nicht der Effekt, den so ein Zertifikat haben soll. Zumal die neuen Plantagen möglicherweise nicht zertifiziert werden", so Zachlod. Auch könnten kleine Zulieferer unverhofft in eine finanzielle Notlage geraten, wenn die Produktion ihrer Plantage durch die Zertifizierung sinkt.
Die Erkenntnisse solcher Analysen könnten helfen, den ungewollten Nebeneffekten entgegenzuwirken. Etwa in dem die Kriterien der Zertifikate angepasst würden. Im Falle der Ölpalmen-Plantagen sei beispielsweise abzuwägen, ob Änderungen bei den Vorgaben zur Düngemittelanwendung oder zum Plantagenmanagement notwendig seien. "Wenn dadurch die Ausbreitung der Plantagen in bisher unberührte Gebiete verhindert werden kann", findet Zachlod.
Ausserdem müssten die Kleinproduzenten fairerweise vorab genau darüber informiert werden, welche Ertragsverluste als Folge der Zertifizierung möglich wären. Dann könnten sie besser entscheiden, ob sie mitmachen wollen. "Die Forschung sollte deshalb unbedingt weiterhin solche ungewollten Effekten überprüfen."
N. Zachlod et al.: Sustainable palm oil certification inadvertently affects production efficiency in Malaysia. Communications Earth & Environment (2025)
Der Text dieser News und weitere Informationen stehen auf der Webseite (https://www.snf.ch/de/pvxHV12oI8lK9BVZ/news/zertifikat-fuer-palmoelplantagen-hat-ungewollte-nebenwirkungen) des Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung.
Pressekontakt:
Nina Zachlod
Institute of Responsible Innovation
Universität St. Gallen (HSG)
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Tel.: +41 71 224 72 121
E-Mail: nina.zachlod@unisg.ch
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Originalmeldung: https://www.presseportal.ch/de/pm/100002863/100930696
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